Autor dieses Artikels über Ökodesign ist Romuald Priol, Webentwickler bei Peaks Lyon, Experte für Web- und Anwendungsperformance, Sprecher der Vereinigung Collectif Numérique Responsable und Vertreter von GreenIt.fr

Die Entwicklung digitaler Dienste ist heutzutage kein Hexenwerk mehr. Tatsächlich ist es inzwischen äusserst einfach, mit einem CMS wie WordPress eine Website zu erstellen. Diese Lösungen ermöglichen zahlreichen Anwendern, rasch eine Website zu designen. Doch welche Folgen eine solche Vorgehensweise haben kann, wird nicht unbedingt berücksichtigt.

Wie sich Digitaltechnologie auswirkt

Die Schaffung digitaler Medien kann zahlreiche Folgen haben:

  • Zum einen kann die Zugänglichkeit leiden. Menschen mit Behinderungen, darunter auch Taube und Schwerhörige, können zahlreiche digitale Dienste nicht nutzen.
  • Gleiches gilt in ethischer Hinsicht. So können der Abruf oder die Nutzung personenbezogener Daten ohne entsprechenden Hinweis an die Nutzer problematisch sein.
  • Auch Sicherheitsprobleme können auftreten, denn Tag für Tag werden neue Schwachstellen entdeckt, während zahlreiche Entwickler den Datenschutz vernachlässigen. Die eigene Anwendung sowie unsere und insbesondere die Daten unserer Nutzer müssen geschützt werden.

Auswirkungen auf die Umwelt

Die meistverkannte Folge, die derzeit langsam in den Fokus rückt, ist gleichzeitig völlig unauffällig – die ökologischen Auswirkungen der Digitaltechnologie.

Und genau da liegt das Problem, denn diese Folgen sind unsichtbar. Ein Telefon beispielsweise ist ein Produkt, das entwickelt, hergestellt, geliefert und verkauft wurde. Wir haben dabei ein materielles Gut erworben (oder gemietet), das nach und nach bestimmte Ressourcen aufzehrt und verschiedene Energien verbraucht, bis wir es in Händen halten. Dieses Produkt ist greifbar und erinnert uns an die endlichen Ressourcen dieses Planeten, die für seine Entwicklung verbraucht wurden. Ebenso denken wir dabei an die Ressourcen, die wir weiter belasten, um den Strom für seinen Betrieb zu erzeugen.

Das Web hingegen ist weitaus komplexer: Dass die Nutzung einer Anwendung die Umwelt verschmutzt, ist nur schwer vorstellbar, zumal diese Nutzung kein dingliches Konzept darstellt.

  • Das ist beispielsweise der Fall, wenn wir uns einen Film auf Netflix oder eine Serie über einen internetgebundenen TV-Decoder ansehen.
  • Gleiches gilt für Online-Spiele über die Spielkonsole.
  • Oder die Nutzung der «Cloud» für die Speicherung eigener Videos, Fotos und Dokumente.
  • Weitere Beispiele sind das Posten von Nachrichten auf sozialen Netzwerken
  • und das Abrufen der E-Mails.

Alle Vorgänge über digitale Peripheriegeräte besitzen konkrete, mehr oder weniger starke Auswirkungen, die nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfen.

GreenIt.fr hat einen Bericht über den ökologischen Fussabdruck der globalen digitalen Welt verfasst. Dieses Papier enthält verschiedene Zahlen von Umweltindikatoren, die ihre ökologischen Auswirkungen verdeutlichen.

Gemäss diesem Bericht …

  • verschlingt die digitale Welt 4.2% der Primärenergie, die auf unserem Planeten verbraucht wird
  • verursacht die digitale Welt 3.8% der gesamten Treibhausgasemissionen
  • verbraucht die digitale Welt 0.2% des trinkbaren Süsswassers
  • verbraucht die digitale Welt 5.6% der weltweit erzeugten Elektrizität.
Ökologischer Fussabdruck der digitalen Welt weltweit (https://greenit.fr 2019).

Auch wenn diese Zahlen absolut betrachtet geringfügig erscheinen, verbergen sich hinter ihnen gigantische Ausmasse:

  • 3.8% der Treibhausgasemissionen entsprechen 116 Millionen Autofahrten um die Welt
  • 0.2% des Wasserverbrauchs entsprechen 3.6 Milliarden Duschbädern

Hinzu kommt, dass diese Zahlen ins Verhältnis zu einer anderen Zahl zu setzen sind, d. h. der Zahl der Internetnutzer:

prozentualer Anteil der Nutzer mit Internetzugang weltweit (donnees.banquemondiale.org, 2017).

2019 entfielen beinahe 6% des weltweiten Energieverbrauchs auf digitale Technologien. Die dabei erzeugten Treibhausgasemissionen machen fast 4% der globalen Emissionen aus (zu beachten ist, dass die Hälfte der Weltbevölkerung noch keinen Internetzugang besitzt).

Nicht zu vergessen ist gleichwohl, dass uns der technologische Fortschritt ermöglicht hat, unseren Planeten besser kennen zu lernen. So wissen wir beispielsweise, dass bestimmte Rohstoffe wie Antimon, Zinn, Nickel und Kobalt in unseren Böden nur in begrenzten Mengen vorhanden sind. Wenn diese Ressourcen abgebaut sind, ist nichts mehr übrig!

Diagramm aus dem Buch “La guerre des métaux rares” (etwa: der Kampf um Seltene Erden) von Guillaume Pitron

Die digitale Welt verschlingt enorme Ressourcen. Hinzu kommt, dass die von unseren Peripheriegeräten allgemein verwendeten Rohstoffe nicht nur selten, sondern auch kaum wiederzuverwerten sind.

Das Paradebeispiel in dieser Hinsicht sind die sogenannten «Seltenen Erden». Trotz ihres Namens sind sie in unseren Böden nicht unbedingt selten, besitzen jedoch eine Recyclingquote von weniger als 1%:

Das ist aus ökologischer Sicht ein katastrophaler Wert.

Doch es gibt einen Ausweg

1. Verlängerung der Lebensdauer unserer Geräte

Zunächst sollte die Lebensdauer unserer Geräte ausgedehnt werden, zumal die Nutzer den grössten Fussabdruck verursachen:

Die Nutzer spielen eine wesentlich grössere Rolle als das Internet und Rechenzentren. Als Faustregel gilt, dass der ökologische Fussabdruck eines Peripheriegeräts mit zunehmender Grösse ungünstiger ausfällt: Demgemäss fällt ein Smartphone mit einem 6 Zoll grossen Display (15.2 cm) weniger ins Gewicht als ein Notebook mit einem 15 Zoll grossen Display (38.1 cm). Spitzenreiter ist ein Fernseher mit einem 85 Zoll messenden Bildschirm (215.9 cm).

Demgemäss können wir dazu beitragen, Digitaltechnologie effizienter zu nutzen und insbesondere ihr Design zu verbessern! Im Gegenzug würden Netzwerke und Rechenzentren entlastet, während folglich die Nutzung der für diese Infrastrukturen erforderlichen Ressourcen begrenzt wäre.

2. Digitaltechnologie besser designen

Ein digitaler Dienst kann heutzutage von jedermann auf jegliche Weise mit x-beliebiger Software-Architektur geschaffen werden. Gerade darin liegt die grosse Stärke des Web: Jeder kann es mit aufbauen, eigene Ideen einbringen und Konzepte weiterentwickeln. Doch die Stärke des Web ist gleichzeitig eine seiner grössten Schwachstellen: Jeder kann zu den einzelnen Problemen oder Auswirkungen des Web beitragen und diese verschlimmern, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Ein digitaler Dienst und eine Anwendung werden programmiert, und ein und dieselbe Funktion lässt sich auf vielerlei Weise programmieren. Dies kann sich besonders langsam, aber auch besonders schnell vollziehen und viele, aber auch wenige Ressourcen verbrauchen. Das Start-up Greenspector.com in Nantes stellt einen Dienst bereit, mit dem sich der Verbrauch einer Anwendung oder einer Website auf einem Mobilgerät anzeigen lässt:

Endenergieverbrauch (in mAh) von Internetbrowsern bei der Navigation auf verschiedenen Websites.

Dieses Diagramm aus dem Bericht «Quels sont les meilleurs navigateurs web à utiliser en 2020? (Etwa: Welches sind die besten Webbrowser 2020?) » veranschaulicht den Energieverbrauch (in mAh) bei der Navigation auf verschiedenen Websites durch verschiedene Browser mit demselben Endgerät – bei identischer Hardware, Software und Konnektivität (die Werte werden mit Blick auf grössere Zuverlässigkeit in einem identischen Kontext erfasst).

Dabei zeigt sich rasch, dass bestimmte Browser (Opera/Brave) effizienter sind als andere (Firefox/Opera Mini), obschon sie genau denselben Vorgang ausführen – die Anzeige einer Internetseite.

Diese Analyse korreliert unmittelbar mit der voraussichtlichen Batterieautonomie bei Nutzung dieses Browsers:

voraussichtliche Autonomie mobiler Anwendungen (in Stunden).

Folglich kann bei Verwendung identischer Batterien und Smartphones – unter Nutzung von Opera oder Firefox Preview – doppelt so lang im Internet gesurft werden wie mit Firefox oder Opera Mini … Anders ausgedrückt:

Wer einen effizienteren Browser nutzt, muss die Batterie bei gleicher Nutzungsintensität nur halb so oft aufladen. Und diese Feststellung gilt für alle von Ihnen genutzten Anwendungen!

Mit diesem Beispiel möchte ich aufzeigen, dass sich selbst die Browser grosser Softwareunternehmen in ihrer Konzeption äusserst stark unterscheiden. Man führe sich demgemäss vor Augen, wie unterschiedlich Websites von Personen sein können, die gar nichts oder nur wenig über Softwarequalität, Rechenleistung oder Ökodesign wissen.

Ökodesign bei Software

Die Softwareentwicklung unterliegt einer ISO-Norm, auf die wir uns beim digitalen Ökodesign stützen: ISO/TR 14062:2002. In dieser Norm sind aktuelle Konzepte und Praktiken beschrieben, die die Integration von Umweltaspekten bei der Konzeption und Entwicklung von Produkten betreffen. Interessanterweise wurde diese Norm gleichzeitig für materielle Güter und Dienstleistungen konzipiert.

Der Einbezug von Ökodesign bei Informatikprojekten bringt zahlreiche Vorteile mit sich: Während die Einsparung globaler Ressourcen bei der Entwicklung von Diensten bereits in der Konzeptionsphase berücksichtigt wird, ermöglicht Ökodesign ebenfalls eine höhere Leistung, die direkt auf die angewandten Regeln zurückzuführen ist (bei gleichzeitig steigender Benutzerfreundlichkeit).

Wie wird eine Anwendung nach ökologischen Kriterien entwickelt?

Um den Begriff Ökodesign zu verdeutlichen, muss zunächst klar sein, was sich überhaupt nach ökologischen Kriterien konzipieren lässt. Eine Website kann nur dann ökologisch konzipiert werden, wenn dies auch für alle anderen Aktivitäten gilt. Software oder Anwendungen mit ökologischen Kriterien zu unterlegen, ohne diese Prämisse zu berücksichtigen, ist sinnlos! In allen Fällen besitzt Einfachheit höchste Priorität.

Ein nach ökologischen Kriterien konzipierter Bedarf wird nicht unbedingt mit einer IT-Plattform erfüllt! Wer eine Website benötigt, um Kunden in der Nähe zu gewinnen, hat hiervon nicht unbedingt einen Nutzen. Entscheidend sind die eigene Aktivität und die eigenen Ziele. In bestimmten Fällen kann bereits eine Werbewurfsendung im Briefkasten ausreichen, um mehr Kunden anzulocken!

Ist der Nutzen des digitalen Dienstes erwiesen und steht fest, dass Digitaltechnologie eine bessere Wirkung erzielen kann als alles andere, kann die Analyse der verschiedenen Funktionen der Website beginnen.

Beispielsweise benötigt eine kommerzielle Website nicht unbedingt einen Login-Bereich – insbesondere bei der ersten Bestellung eines Kunden. Werden die Nutzer gezwungen, sich auf der Website zu registrieren, erhöht dies die Zahl der Schritte bis zum Abschluss der Transaktion. Auch in diesem Fall hängt alles vom Bedarf ab. Der Betreiber der Website muss ein Produkt verkaufen, aber nicht unbedingt Hunderte von Benutzerdaten verwalten, die ihm keinen Nutzen bringen und er ohne Gegenleistung sicher speichern muss. Vereinfachte Verkaufstransaktionen können sowohl dem Nutzer als auch dem Kunden zum Vorteil gereichen.

Ein Beispiel sind Kontaktseiten: Wozu muss ein vollständiges Formular verwaltet werden, obwohl in den meisten Fällen ein einfaches Tag <a href=’mailto :mail@domain.tld’ >< /a> ausreicht? Wozu muss ein Karten-Plugin angezeigt werden, das den SpeedIndex der eigenen Seiten erheblich verlangsamt, wenn ein einfaches, dynamisch geladenes Bild mit Hyperlink zum Kartendienst ausreicht?

Wir haben die schlechte Angewohnheit, Dinge zu kompliziert zu machen. Und diese Komplexität macht unsere Anwendungen und unsere Websites schlechter und erhöht die Zahl der zu verwaltenden Codezeilen. So wird mehr Zeit benötigt, um Funktionen zu pflegen, zu aktualisieren und weiterzuentwickeln, als einem nützlichen Bedarf gerecht zu werden.

Sobald die Funktionen eindeutig identifiziert wurden und ein Entwickler diese analysiert hat, um ein Nutzererlebnis (UX) mit einfachem und zugänglichem Nutzerparcours ohne “Dark Patterns” und endloses Scrollen zu konzipieren, kann der Hoster unserer Website ausgewählt werden!

Einen ökologischen Hoster wählen

Hosting-Anbieter gibt es viele, aber nur wenige unter ihnen messen ökologischen und gesellschaftlichen Aspekten erhöhte Bedeutung bei. Ich empfehle aus folgenden Gründen generell Infomaniak:

  • Die von diesem Anbieter verbrauchte Energie trägt das Label „TÜV SÜD EE01“ und „Naturemade Star“, wonach die von den Rechenzentren verwendete Energie zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt;
  • Da alles mit Aussenluft gekühlt wird, hält sich der Stromverbrauch in Grenzen. Grosse Klimaanlagen werden nicht eingesetzt;
  • Infomaniak bevorzugt eine lokale und verantwortungsbewusste Beschaffung (nur wenige Produkte kommen aus weit entfernen Ländern)
  • Das Unternehmen gleicht seine Treibhausgasemissionen zu 200% aus (auch wenn Einigkeit darüber besteht, dass der Ausgleich das «kleinere Übel» darstellt, ist zu bedenken, dass ohne CO2-Ausstoss auch kein Ausgleich erforderlich ist);
  • Das Unternehmen verlängert die Lebensdauer seiner Server, um unterm Strich weniger CO2 zu produzieren. Die Server werden mindestens über einen Zeitraum von 5 Jahren genutzt.

Dass ein so grosses Unternehmen derart richtungsweisend agieren kann und dabei unseren Planeten bestmöglich schont, ist erfreulich!

Architektur & Wahl des Codes

Eine weitere Rolle spielt die aufzubauende Architektur: Ist ein hoher Datenstrom zu erwarten, der zu einer dynamischen Website weiterleiten würde? Sollen die angezeigten Daten lediglich ein einfaches Profil bzw. ein Unternehmen mit wenigen, aber sachdienlichen Informationen präsentieren, die sich vollständig mit einer statischen Website generieren liessen, was die Wartung eines Login-Bereichs, einer Datenbank und die Lösung damit verbundener Sicherheitsprobleme vermeiden würde? Durch diese Auswahl lässt sich besser entscheiden, ob ein CMS wie WordPress, ein Framework oder ein Code “from scratch” (völlig neuer Code) erforderlich ist.

Ebenso beeinflusst dieser Schritt die Wahl der zu nutzenden Programmiersprache. So lässt sich ein HTML-Code mit den unterschiedlichsten Programmiersprachen auf vielerlei Weise generieren. Aber auch hier sind mehrere Parameter zu berücksichtigen, darunter die Kenntnisse der eigenen Teams und die von Ihrer Programmiersprache für die Generierung Ihres HTML-Codes verwendete Energie.

Programmiersprachen sind nicht alle gleich. Bestimmte Sprachen sind einfacher und möglicherweise bekannter als andere und gehen mit Dokumentationen und Lösungen für potenzielle Probleme Ihres Teams einher, die leichter auffindbar sind. Auch die für ihre Ausführung verwendeten Ressourcen können sich unterscheiden: So nutzen einzelne Sprachen mehr oder weniger RAM (Arbeitsspeicher) und Prozessorleistung (CPU).

Eine Studie ermöglicht, die Leistungsunterschiede von Programmiersprachen zu verstehen. Dabei ist festzustellen, dass bestimmte «neue» Sprachen wie GO oder RUST mit Blick auf alle Kriterien wie verbrauchte Energie, Ausführungszeit und Speichernutzung gut abschneiden. Erfreulich ist, dass neue Computersprachen leistungsfähiger sein können als früher verwendete Sprachen.

Wichtig ist, die serverseitige Generierung des Codes (d. h. des Codes, der Daten dynamisch generiert) zu berücksichtigen. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass die Wirkung zu einem Grossteil auf der Kundenseite verringert werden kann. Denn wird serverseitig eine Zwischenspeicherung vorgenommen, lässt sich die Code-Generierung drastisch reduzieren. Denn schliesslich ist es der Kunde, der Daten herunter- bzw. herauflädt, unzählige Recherchen durchführt und gezwungen ist, seinen Browser bzw. Computer auf dem neuesten Stand zu halten, wenn er feststellt, dass alles «langsamer» wird, weil Sie Ihre Anwendung aufgrund alter Sachzwänge nicht leistungsfähig genug gemacht haben.

Vergessen wir nicht, dass wir in einer Zeit leben, in der wir Telefone nicht ersetzen, wenn sie nicht mehr funktionieren, sondern wenn sie zu langsam werden!

Analog zu Websites werden Anwendungen immer schwerfälliger und beanspruchen mehr und mehr Ressourcen der nutzerseitigen Peripheriegeräte. Als unmittelbare Folge muss die Hardware immer öfter ausgetauscht werden, um Anwendungen und Aktualisierungen nutzen zu können, die mehr und mehr Prozessorleistung, Arbeitsspeicher, Speicherplatz und Energie verbrauchen. In der Fachsprache wird dies als «Bloatware» bezeichnet.

Um demselben Bedarf gerecht zu werden, sind heute deutlich mehr Ressourcen und Energie erforderlich als vor 10 Jahren! Um denselben Text in Word zu erstellen, eine identische Aktion in Excel auszuführen oder dieselbe E-Mail in Outlook zu verfassen, benötigt die Kombination aus Windows 8 und Office 2013 114 Mal mehr Arbeitsspeicher als einst Windows 98 und Office 97. (In dem Buch “Sobriété Numérique” (etwa: Digitale Bescheidenheit) von Frédéric Bordage, 2019 herausgegeben von “La verte”, finden sich weiterführende Informationen. 😉)

Das Codieren kann beginnen! Aber nicht um jeden Preis – denn wie immer sind Einfachheit und Effizienz Trumpf! Unabhängig vom jeweils generierten Code liegt es auf der Hand, dass das Rad nicht neu erfunden werden muss. Dieser Satz ist in Entwicklerkreisen häufig zu hören. Besteht bereits ein Stück des Codes, ein Bundle oder ein Modul, sollten diese genutzt werden. Denn so sind unter Umständen Verbesserungen möglich!

Dennoch kommt es häufig vor, dass diese Philosophie der Wiederverwendung von Komponenten übertrieben wird. Das ist dann ungefähr so, als ob die ganze Bibel heruntergeladen wird, obwohl lediglich eine einzige Seite benötigt wird. Vorsicht ist allerdings bei Abhängigkeiten gegeben. Die eigene Abhängigkeit auf externe Module zu begrenzen, ist nicht nur mit Blick auf das Ökodesign, sondern auch auf die Softwarequalität hilfreich. An vertrauten Code-Abschnitten festzuhalten, ist nicht unbedingt einfach. Noch schwieriger ist es aber, wenn diese Code-Abschnitte, die sich mit anderem Tempo weiterentwickeln können, unbekannt sind.

Genauso wichtig ist es, auf die Zielversionen unserer Frameworks zu achten und dabei die grösstmögliche Kompatibilität mit alten Peripheriegeräten zu bewahren. Auf neuere Versionen abzuzielen, mündet in Funktionen, die für den von uns zu erstellenden Code nicht unbedingt nützlich sind. Ausserdem wird unsere Anwendung dann von alten Versionen von mobilen Betriebssystemen, Tablets oder PCs nicht mehr unterstützt. Sollte Ihre Anwendung mit einer neuen Funktion ausgestattet sein, die mit alten Medien funktioniert hätte, zwingen Sie Ihre Nutzer, sich ein neues Gerät anzuschaffen, um Ihre neuesten Entwicklungen nutzen zu können oder Sie bestenfalls (in ökologischer Hinsicht) zu verlassen.

Bewährte Praktiken

Nun können Sie Ihren Dienst programmieren – selbstverständlich unter Anwendung möglichst vieler bewährter Ökodesign-Grundsätze, die im Buch der 115 bewährten Ökodesign-Praktiken von Frédéric Bordage aufgelistet sind.

Nachfolgend einige Beispiele bewährter Praktiken:

  • Entfernung nicht wesentlicher Funktionen;
  • Statt Autovervollständigen besser die Eingabehilfe nutzen;
  • Begrenzung der HTTP-Requests;
  • Nutzung eines angemessenen Datenformats;
  • CSS aufteilen;
  • Bevorzugung von Standardschriftarten;
  • Vermeidung aufwendiger JavaScript-/CSS-Animationen;
  • Verbindung mit Datenbanken nur sofern unbedingt erforderlich;
  • Entscheidung für einen umweltfreundlichen Hoster wie Infomaniak;
  • Festlegung eines Plans am Ende der Lebensdauer.

Die umweltverträgliche Erfüllung von Funktionen durch unsere Software und digitalen Dienste darf selbstverständlich nicht zu „digitalem Greenwashing“ führen. Das Buch der 115 bewährten Ökodesign-Praktiken bietet eine hervorragende Informationsgrundlage, mit der Sie innerhalb Ihrer IT-Abteilung eine verantwortungsbewusstere Entwicklungsstrategie einführen können. Ein Überblick über alle Regeln, um Seiten zu verschlanken und das Web einfacher, schneller und zugänglicher zu machen!

Dabei muss klar sein, dass eine Website nur dann als umweltverträglich zu betrachten ist, wenn möglichst viele Regeln befolgt werden. Viele Websites schmücken sich mit den Attributen Low-Tech und/oder ökologisch, haben aber nur einige wenige Ökodesign-Grundsätze angewandt und Nutzerbedürfnisse nur unzureichend untersucht, geschweige denn die Auswirkungen ihres Dienstes anhand mehrerer Kriterien wie Wasser-, Energie- und Ressourcenverbrauch sowie Treibhausgasemissionen (nach Möglichkeit vorgelagert) bewertet. Das Ergebnis ist durchwachsen: Gut möglich, dass weniger Ressourcen verbraucht werden, Bilder komprimiert und Seiten statisch und doch schnell genug sind. Doch wenn die dahinter steckende Architektur überdimensioniert ist, eine Vielzahl verschobener Skripte ein Dutzend Third-Party-Skripte laden, die die Website insgesamt verlangsamen, und der Kundenbrowser mehr Arbeitsspeicher und Prozessorleistung verlangt, dann ist das keine ökologisch konzipierte Website, sondern lediglich ein Verschnitt internetspezifischer Effizienzregeln.

Tools für Performanceanalyse

Es gibt verschiedene Analysetools, die Leistungsfähigkeit von Diensten messen. Diese Tools bestehen für das Backend (wie das hervorragende Analysetool BlackFire für PHP-Anwendungen und Python), Anwendungen (ReSharper, DotTrace für in C, C++ oder C# geschriebene Anwendungen) sowie für das Frontend mit den bestehenden statischen Analysetools (Dareboost, Gtmetrix oder Web.dev). Diese Tools sind leistungsstark und ermöglichen dem Betreiber – sobald die Website oder die Anwendung verfügbar sind –, die Leistungsfähigkeit zu analysieren und zahlreiche Tipps zu erhalten, um den Dienst effizienter zu machen.

Website-Analyse über Dareboost.com

Die Effizienz kommt dem Web (im Allgemeinen) zugute. Einer der Vorzüge eines Ökodesigns besteht darin, dass Anwendungen auf natürliche Weise effizient werden! Das gilt aber nicht im Umkehrschluss, denn eine leistungsfähige Anwendung muss nicht unbedingt nach ökologischen Kriterien konzipiert worden sein.

Ein einfaches Beispiel ist die Nutzung verschobener JavaScript-Skripts auf der eigenen Website. Wird viel JavaScript für alle möglichen Zwecke verwendet, ist die Performance generell beeinträchtigt. Zu viel JavaScript verursacht zu viele Requests, zu lange Ladezeiten von Dateien und zu viele Inhalte, die vom Browser ausgelesen und ausgeführt werden müssen. Wird die Wiedergabe der Seite nicht durch JavaScript verlangsamt (was ideal ist :D), kann dem Browser mit dem Attribut “defer” mitgeteilt werden, die Ausführung dieser Skripts zu verschieben. In diesem Fall werden die Skripts nacheinander am Schluss ausgeführt, wobei die Seite wesentlich schneller geladen wird. Ergebnis: mehr Effizienz und ohne Frage mehr SEO, zumal der SpeedIndex sinkt und die Seite wesentlich schneller wird.

Und doch hat sich die Seite selbst nicht verändert! Zwar ist sie effizienter, lädt aber nur noch viele Ressourcen herunter, die:

  • möglicherweise nicht dem ursprünglichen Bedarf entsprechen;
  • möglicherweise zu komplex sind;
  • noch auf Entwickler zurückgehen, die das Projekt verlassen haben, wodurch Aktionen ausgeführt werden, die inzwischen ungenutzt verpuffen.

In einem solchen Fall ist die Website tatsächlich effizienter, aber keinesfalls als Beispiel für Ökodesign zu betrachten.

Tools für die Analyse von Ökodesign

Um Ökodesign-Indikatoren akkurater zu überwachen, haben einige Vereinigungen Tools entwickelt, mit denen sich der Fussabdruck unserer digitalen Dienste messen lässt:

Die Vereinigung Numérique Responsable von greenit.fr hat die Website ecoindex.fr zusammengestellt:

Ökologischer Fussabdruck anhand eines Tests auf der Website ecoindex.fr

EcoIndex berechnet den ökologischen Fussabdruck gemäss dem Ausmass des Ökodesigns der Website. Die Berechnung erfolgt auf Basis der durchschnittlichen Auswirkungen durch die Treibhausgasemissionen und den Trinkwasserverbrauch. Dieser Durchschnittswert wird dann an das tatsächliche Ausmass des Ökodesigns angeglichen. Dies ist ein einfaches Verfahren, das eine realistische Grössenordnung liefert.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass für die Browser Chrome und Firefox Erweiterungen verfügbar sind, mit denen sich das Navigieren auf Websites überwachen lässt. Dies ermöglicht, den Fussabdruck und das Ausmass des Ökodesigns für einen vollständigen Nutzerpfad einzuschätzen.

Übersicht über die Firefox EcoIndex-Erweiterung auf einer Website.

Die Vereinigung GreenIt.fr und einige ihrer Partner haben ebenfalls die Website Ecometer.org zusammengestellt. Mit ihr lassen sich bewährte Praktiken ermitteln, die von einem digitalen Dienst über den URL angewendet werden (oder nicht): Auf der Website sind die Punkte aufgelistet, die noch umgesetzt werden müssen, um den ökologischen Fussabdruck der Seite oder des analysierten Webdienstes zu verringern.

Kleiner Teil der bewährten Praktiken, die über eine Analyse von Ecometer.org

befolgt werden

Die “shifters” der Vereinigung The Shift Project haben ebenfalls ein Tool entwickelt, mit dem sich der Fussabdruck einer Website einschätzen lässt. So kann Carbonalyser über eine Erweiterung des Firefox-Browsers genutzt werden. Die Shift-Methode stützt sich auf die Recherchen, die von ihrem Programm «1byte model» durchgeführt werden. Dieses Programm wandelt die an den Browser übermittelten Daten in ein Stromäquivalent (kWh) um, das dann wiederum in ein CO2-Äquivalent konvertiert wird. Auch wenn dieses Verfahren Schwächen aufweisen kann (zumal sich der Fussabdruck von Strom in den einzelnen Regionen unterscheiden kann), verschafft die Anwendung einen guten Eindruck von den potenziellen Auswirkungen einer Web-Session.

Schnittstelle der Firefox-Erweiterung “Carbonalyser” des The Shift Project.

Diese verschiedenen Tools ermöglichen, die tatsächlichen Auswirkungen der eigenen Websites anhand von Umweltindikatoren einzuschätzen. Genau das ist das Ziel dieses Ansatzes: Er soll uns ermöglichen, einfachere und zweckmässigere Anwendungen zu konzipieren – unter bestmöglicher Schonung globaler Ressourcen, damit sich Digitaltechnologie so lange wie möglich nutzen lässt.

Schlussbetrachtung

Digitale Medien gehen auf eine vergleichsweise junge Technologie zurück, die sich seit 30 Jahren ständig weiterentwickelt. Sie helfen uns fortwährend in vielen Bereichen, bringen uns einander näher, vereinfachen unser Leben und sparen uns Zeit. Ebenso helfen sie uns, unsere Interaktionen mit anderen Menschen und der Artenvielfalt besser zu verstehen und unseren ökologischen Fussabdruck auf diesem Planeten besser zu erfassen.

Doch diese «Jugend» ist gleichzeitig ihr Makel, denn wir müssen lernen, die Technologie besser zu beherrschen, gewissenhafter und möglicherweise massvoller zu nutzen – zum Wohle der Menschheit und unseres Planeten! Es ist wichtig, digitale Medien massvoll zu verwenden und auf einfache Weise zu konzipieren.

Wir haben es selbst in der Hand, unsere Spuren auf diesem Planeten möglichst effizient zu reduzieren und Gewohnheiten abzustreifen, die noch grössere Wirkung besitzen (z.B. weniger Autofahrten und Flüge, vegetarische Ernährungsweise, null Abfall, lokale Einkäufe usw. 😉).

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